Forschungsprojekt zur Kommunalen Teilhabe

StadtMacher - zusammen leben gemeinsam gestalten

StadtMacher – Teilhabe gestalten in Netphen

Über das Projekt

Politisches Bewusstsein – also das motivierte Nachdenken darüber, wie unser soziales und politisches Miteinander gestaltet und verbessert werden kann – findet seinen Ausdruck nicht nur in den großen politischen Arenen (wie Parlamenten oder großen Organisationen), sondern genauso im kommunalen Alltag. Und wie wir dabei mit- und übereinander sprechen, entscheidet letztlich darüber, ob unsere Kommunikation Kooperation ermöglicht oder Konfrontation begünstigt, ob sie Brücken baut oder Gräben vertieft. Wissenschaftlich fundiertes Wissen um das Zusammenspiel von Sprache und Mitgestaltung mit denen zu teilen, die mehr gesellschaftliche Teilhabe möglich machen möchten, ist unser Auftrag als Akademie für Partizipative Kommunikation.

Vor diesem Hintergrund freut sich das Team von Diskursiv daher ganz besonders, dank der Unterstützung der Hans Sauer Stiftung seit dem Frühjahr 2025 ein neues Akademie-Projekt bestreiten zu dürfen: „StadtMacher – Teilhabe gestalten in Netphen“. Gemeinsam mit der Netphener Stadtgesellschaft erforschen wir kommunikative Beteiligungshürden vor Ort, um die politische Teilhabe zu stärken. Denn wer kennt Netphen besser als die, die hier leben und sich tagtäglich im Vereinswesen, in Schulen, in Unternehmen, zwischen Sieg und Netphe, zwischen Keiler und Kommunalverwaltung bewegen?

„StadtMacher – Teilhabe gestalten in Netphen“ ist ein von der Hans Sauer Stiftung gefördertes, in Kooperation mit der Universität Siegen und dem Museum Netpherland e.V. durchgeführtes Akademie-Projekt, bei dem interessierte Netphener:innen zum eigenständigen Forschen angeleitet werden, um gemeinsam kommunikative Hürden für politische Teilhabe im Alltag zu identifizieren, forschungsbasierte Lösungen zu entwickeln und ihre Ergebnisse öffentlich zu präsentieren.

Warum gibt es „StadtMacher“ gerade in Netphen?

Nicht nur in Zeiten von Unsicherheit und Krisen, von Polarisierung und politischen Umbrüchen, sondern eigentlich schon immer brauchte es Räume, in denen wir auch dann auf Augenhöhe zueinanderfinden können, wenn nicht alle einer Meinung sind. Unsere eigene Nachbarschaft, unser Freundeskreis und die Familie, der Ortsverein sind für die ganz konkreten Fragen des Miteinanders oft besser geeignet als die „großen Bühnen“ der Politik. Gerade vielfältige Mittelstädte wie Netphen bieten besondere Chancen, die Gemeinschaft aktiv mitzugestalten und sich die dafür notwendigen Fähigkeiten anzueignen – dazu lädt das Projekt „StadtMacher“ ein. Daher haben wir uns entschieden, „StadtMacher“ hier anzusetzen.

Was macht „StadtMacher“ anders?

Bei diesem Projekt stehen Bürgerinnen und Bürger aus Netphen im Mittelpunkt. Sie entscheiden, welche Themen untersucht werden – ob Mitsprache in der Schule, Entscheidungsprozesse im Stadtrat oder Kommunikation im lokalen Mittelstand, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Unsere Aufgabe als Berufswissenschaftler:innen ist es dabei, ihnen das nötige Handwerkszeug dafür an die Hand zu geben und sie bestmöglich in der eigenen Forschung zu unterstützen. Damit wollen wir versuchen ein tieferes Verständnis für demokratische Teilhabeprozesse auszubilden. Zum Abschluss veröffentlichen wir die Ergebnisse in einer Diskurswerkstatt und laden dazu Vertreter:innen aus Politik und Medien ein.

Das Projekt-Team

Unser Team besteht aus Berufswissenschaftler:innen und Expert:innen für partizipative Kommunikation, die im Projekt als Mentor:innen mit an den bürgerwissenschaftlichen Forschungsprojekten arbeiten.
Benjamin Bäumer
Benjamin Bäumer

Projektleitung

Joline Schmallenbach
Joline Schmallenbach

Wissenschaftliche Mentorin

Vanessa Breitkopf
Vanessa Breitkopf

Wissenschaftliche Mentorin

Felix Tripps
Felix Tripps

Wissenschaftlicher Mentor

Denis Gerner
Denis Gerner

Wissenschaftlicher Mentor

StadtMacher Roadmap 2025

Stadtmacher erstreckt sich von Februar bis Juli 2025 über insgesamt 4 Phasen, in denen wir wichtige Meilensteine erreichen und auf die Präsentation unserer Ergebnisse hinarbeiten.

Sie können den Flyer zum Projekt hier herunterladen.

Januar bis Februar

Projektstart

Wir stellen uns in Netphen vor, laden zu Gesprächen und Kennenlernen im Heimatmuseum ein und hoffen, viele engagierte Menschen zusammenzubringen!

März

Teams & Ausbildung

Wir bilden Forschungsteams und lernen uns gegenseitig und was uns motiviert kennen. In Ausbildungs-workshops legen wir Forschungs-interessen fest und vermitteln Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens und der Datenerhebung.

April bis Mai

Datenerhebung & Auswertung

Die Forschungsteams erheben selbstständig Daten und werten diese aus. Die Mentor:innen unterstützen durch regelmäßige Treffen bei der Auswertung und Interpretation der Daten. Gemeinsam entwickeln wir Ideen für Verbesserungs-möglichkeiten.

Juni

Diskurswerkstatt

Die Mentor:innen bereiten im Museum Netpherland eine öffentliche Präsentation der Ergebnisse vor. Gemeinsam mit Vertreter:innen aus Politik und Medien diskutieren wir auf Basis unserer Ergeb-nisse Verbesserung-strategien.

Ein Blick in die Projektarbeit

Nach den öffentlichen Informationsveranstaltungen im Januar und Februar fanden sich elf interessierte Netphener und Netphenerinnen, die gemeinsam mit fünf Wissenschaftler:innen folgenden Fragen nachgehen wollten: Warum engagieren sich Menschen in Nepthen – oder was hält sie davon ab? Wie sprechen wir mit- und übereinander? Und unter welchen Bedingungen funktioniert echte politische Mitbestimmung?

Das gemeinsame Ziel war es, methodengeleitet Hürden für bürgerschaftliches Engagement im Alltag zu identifizieren und forschungsbasierte Lösungen zu entwickeln.

Die Themen

Die Teilnehmenden teilten sich in zwei Gruppen auf, die sich jeweils mit einem eigenen Unterthema beschäftigten:

Studie 1 – Gemeinnütziges Engagement

Eine Gruppe befasste sich mit Fragen rund um Ehrenamt, soziales Engagement und Vereinsleben in Netphen: Warum engagieren sich Menschen aus Netphen sozial – oder was hält sie davon ab? Wie kann man Gleichgesinnte finden oder Nachwuchs für Vereine rekrutieren?

Datengrundlage: 108 Netphener Bürgerinnen und Bürger beteiligten sich an einer Umfrage, die über Flyer, Plakate sowie Webseite und Soziale Medien der Stadt Netphen beworben wurde.

Studie 2 – Politische Teilhabe

Eine andere Gruppe beschäftigte sich mit den vielfältigen Möglichkeiten, sich an politischen Entscheidungen in der Kommune zu beteiligen – von Bürgermeistersprechstunden, Unterschriftenaktionen, Mängelmeldern und Bürgerspaziergängen bis zur Beseitigungs-App und zum Bürgerrat. Was funktioniert gut, was weniger gut? Und unter welchen Bedingungen gelingt Mitbestimmung am besten?

Datengrundlage: 31 Netphener Bürgerinnen und Bürger wurden durch das Projektteam im persönlichen Gespräch befragt. Diese Interviews ermöglichten einen tieferen Einblick in persönliche Einstellungen und Erfahrungen.

Erste Ergebnisse und Thesen

Im Anschluss an das Projekt werden alle Studienergebnisse hier in ausführlicher Form veröffentlicht. Die jetzige Darstellung bietet allerdings bereits eine prägnante Übersicht über erste (und teilweise noch vorläufige) Thesen aus den beiden Forschungsgruppen.

Ergebnisse I
Engagement und Ehrenamt in Netphen

 

Netphen hat im Vergleich zu anderen mittelgroßen Städten eine vielfältige Vereinslandschaft. Zugleich wird aber auch an vielen Stellen beklagt, dass Vereine schrumpfen oder es an der Rekrutierung von Nachwuchs „hakt“. Die Umfrage zeigt:

1. Ehrenamt ist beständig
In Netphen wird ehrenamtliches Engagement häufig im privaten Umfeld, beim Sport und in Vereinen besprochen. 86 % der befragten Aktiven ist seit über 3 Jahren tätig – das Ehrenamt ist kein kurzes Intermezzo.

2. Potenzial bleibt ungenutzt
Zwei Drittel der aktuell nicht aktiven Menschen schließen ein soziales Engagement nicht aus. Persönliche Ansprache motiviert deutlich stärker dazu, aktiv zu werden, als allgemeine Aufrufe oder Werbung.

3. Unverbindlichkeit als Chance
Viele, aber nicht alle engagierten Menschen sind über Vereine organisiert. Gelegentliches Helfen ohne langfristige Verpflichtung wird geschätzt, aber bislang wenig gefördert.

4. Kommunikationsmängel gefährden Engagement
Unklare Abläufe (laut 50 % der Befragten) oder mangelnde Wertschätzung (laut 33 % der Befragten) sind Gründe, warum ehemals Aktive sich aus dem Ehrenamt zurückziehen. Klar kommunizierte Rollen, Aufgaben und Erwartungen fördern hingegen verlässliches Engagement. Verständlichkeit ist selten ein Problem: Die meisten Informationen zum Ehrenamt werden in Netphen als gut verständlich wahrgenommen, sofern man selbst einige Zeit engagiert ist.

Ergebnisse II
Politische Teilhabe in Netphen

 

Seit einigen Jahren bietet die Stadtverwaltung in unregelmäßigen Abständen Formate an, um Bürgerinnen und Bürger an politischen Entscheidungen zu beteiligen. Beispiele aus den letzten Jahren sind Umfragen zur Gestaltung des Einkaufszentrums, zum städtischen Leitbild, oder Veranstaltungen wie der „Stadtspaziergang“ oder die offene Sprechstunde. Insgesamt sind solche Angebote aber bisher noch selten und werden eher schlecht angenommen. Unsere Interviews zu politischer Teilhabe zeigen:

1. Lokale Initiative „sticht“ Beteiligungsformate
Viele Menschen sind bereits punktuell politisch aktiv gewesen, allerdings häufiger im Rahmen von lokalen Initiativen, Unterschriften- und Protestaktionen oder Vereinsarbeit, weniger innerhalb strukturierter Angebote. Persönliche Betroffenheit und vor allem Ortsteilbezug motivieren dabei stark.

2. Informationskanäle werden nicht voll ausgeschöpft
Beteiligungsangebote der Kommunalverwaltung – mit Ausnahme der Bürgermeistersprechstunde – sind eher unbekannt. Prinzipiell interessierte Personen, die die Angebote bisher nicht kannten, wünschen sich eine aktivere Informationsstrategie durch die Stadt, z.B. mit Aufrufen über Instagram, Radio Siegen oder Printformate.

3. Beteiligung muss konsequent sein
Personen, die sich bereits für ein politisches Anliegen engagiert haben (Beispiele: Jugendprogramm „Siegen-Wittgenstein For You“, Bau einer Dirtbike-Strecke, Besuch einer Ratssitzung, Protest für den Erhalt der Eishalle etc.), schildern teils positive, teils negative Erfahrungen. Demotivierend wirkten in der Vergangenheit dabei weniger der (mögliche) Misserfolg des Projekts als vielmehr ausbleibende Rückmeldung und der Eindruck von unwirksamer oder nur oberflächlicher Partizipation.

 

Ideen und Impulse aus unserem Projekt – für Verwaltung, Vereine und freie Projekte

Bei zukünftigen Beteiligungsmöglichkeiten wünschen sich die Befragten vor allem Ortsteilbezug, klare Kommunikation über Ziele und Arbeitsaufwand sowie die Möglichkeit, sich niedrigschwellig und unverbindlich zu informieren.

Sensibilisierung für Kommunikationshemmnisse – Nicht alle Menschen sprechen gern vor Gruppen oder möchten eine politische Meinung öffentlich äußern. Möglichkeiten für Vier-Augen-Gespräche, anonymes Feedback oder informellen Austausch werden von dieser Gruppe geschätzt.

Feedback garantieren – Werden Personen oder Gruppen für soziale Ziele aktiv, legen sie großen Wert auf klare Kommunikation. Kaum etwas ist demotivierender als das Ausbleiben einer Rückmeldung.

Begegnungsorte schaffen – Vielen Menschen in Netphen fehlen öffentliche Aufenthaltsorte wie ein (Bürger-)Café oder eine Parkanlage für absichtslose soziale Begegnungen und Austauschmöglichkeiten.

Aktivere, zielgerichtetere Adressierung – Viele Menschen, die derzeit nicht aktiv sind, wären bereit, sich zu engagieren, wenn sie umfassend informiert oder persönlich angesprochen würden.

Vernetzung und gegenseitige Unterstützung im Vereinswesen – Engagierte Menschen wünschen sich Unterstützung in strukturellen und verwalterischen Fragen durch eine Ansprechperson, die als Multiplikator/in oder vermittelnde Stelle fungiert. Eine andere Möglichkeit: Nach dem Vorbild anderer Städte könnte ein wiederkehrendes, thematisch strukturiertes Format zwischen Vereinsvorständen und Stadt angeboten werden („Vereinsfrühschoppen“ o.Ä.).

Ein Wort aus dem Team von diskursiv e.V.

Mit ‚StadtMacher‘ hoffen wir als Akademie nicht nur zwischen Wissenschaft und Stadtgesellschaft, sondern vor allem zwischen Netphener:innen selbst kommunikative Brücken bauen zu können. Wir sind überzeugt, dass die gemeinsame Forschungsarbeit mit den Netphener:innen auch zahlreiche Hinweise liefern wird, wie wir Erkenntnisse der empirischen Sprach- und Diskursforschung zukünftig besser in praktisches Know-how überführen können. Wir freuen uns auf den Start des Projekts!

Förderung des Projekts

Das Projekt „StadtMacher“ wird durch das Förderprogramm 2024–2025 „Citizen Science for Action!“ der Hans Sauer Stiftung finanziert. Die Hans Sauer Stiftung fördert zivilgesellschaftliche Forschung in sozial-ökologischen Konfliktfeldern und legt besonderen Wert auf Partizipation und Transdisziplinarität. Ziel ist es, durch innovative Forschungsansätze gesellschaftliche Mehrwerte zu schaffen und Lösungen für aktuelle Herausforderungen zu entwickeln.

Kooperierende Organisationen